Gleiches Ziel, andere Ansätze: Die Marken der Spread Group und die Leipziger Designerinnen von „war mal deins“ bieten Unikate für ihre Kundinnen, doch nur Letztere nutzen zu 100 Prozent gebrauchte Textilien für ihre Kreationen. Ihre Design-Philosophie bot uns einen spannenden Perspektivwechsel auf unsere Industrie und war Anlass für ein gemeinsames Upcycling-Projekt. Bei unseren Treffen haben wir mit Iris Ebel und Lisa Koops auch darüber gesprochen, was zeitgemäße Mode ausmacht und wieso sie nicht nur ein persönliches Thema ist.
Spread Group: Als erstes interessiert uns natürlich – wie seid ihr überhaupt zum Modedesign gekommen?
Iris Ebel: Meine Kleidung habe ich mir schon mit 13 Jahren selbst geschneidert. Seitdem hat mich Mode nicht mehr losgelassen und ich habe mich im Jahr 2016 für ein Design-Studium an der ArtEZ University of the Arts in Arnheim beworben. Als Halb-Niederländerin fiel mir dieser Schritt sehr leicht. Genau wie Lisa habe ich es durch die harten Aufnahmeprüfungen geschafft.
Lisa Koops: Bei mir war es ganz ähnlich. Ich habe mich auch schon immer für Mode interessiert und die Niederlande haben mir vom Flair gut gefallen – es gibt dort viele Modeschulen mit hervorragendem Ruf. Niederländisch sprach ich damals nicht, aber das brauchte man für die Uni auch nicht: Die Kurse fanden auf Englisch statt.
Spread Group: Hattet ihr im Studium schon Euren Fokus auf nachhaltige Mode gesetzt – oder kam das erst später?
Lisa Koops: Die Praktika während des Studiums haben mir dafür die Augen geöffnet, dass ich kein Teil der Fast-Fashion-Industrie sein möchte. Ich habe u. a. bei der London Fashion Week 2019 mitgearbeitet und gemerkt, wie hart die Arbeitsbedingungen in der Branche wirklich sind. An lange Arbeitszeiten hatte ich mich da schon längst gewöhnt: Es gab Zeiten im Studium, da habe ich von 9 bis 21 Uhr in der Uni an meinen Entwürfen gearbeitet. Das Atelier war mein Zuhause.
Iris Ebel: Ja, das war schon krass damals. Ich hatte ein Praktikum absolviert, bei dem ich nur vorm Computer saß, Design-Aufnahmen bearbeitet und an verschiedene Manufakturen verschickt habe. Der Design-Prozess bedeutete also technische Zeichnungen in den Computer zu übertragen – ganz anders, als man vielleicht denkt und nicht besonders kreativ.
Lisa Koops: Das stimmt. Trotzdem hatten wir damals nie den Gedanken gehabt, ganz mit dem Mode-Design aufzuhören. Wir lieben ja Mode, besonders den kreativen Prozess.
Iris Ebel: Genau, und da kam die Kultur der Second-Hand-Läden in den Niederlanden ins Spiel. Sie haben uns sehr inspiriert und wir haben gemerkt, wie wunderbar es ist mit gebrauchten Stoffen zu arbeiten.
Lisa Koops: Und es ist auch viel günstiger: Die Stoffe haben wir durch unsere Freunde kostenfrei erhalten. Wir hatten damals ein richtiges Netzwerk aufgebaut, aus dem wir unsere ersten richtigen Aufträge erhalten haben. Für unsere Abschlussarbeiten haben wir dann natürlich auch Designs aus alten Stoffen neu geschaffen.
Spread Group: Das Konzept für eure eigene Modemarke „war mal deins“ stand damit fest? Iris Ebel: Mit Prinzip schon. Unseren Namen haben wir von einem englischen Wortspiel ins Deutsche übertragen: „used to be yours“. Wir hatten damals auch schon die Idee unseres eigenen Second-Hand-Ladens, den wir hier auf der Weißenfelser Straße eröffnet haben. Zusätzlich bieten wir noch Siebdruck-, Stick und – Näh-Workshops an und vermitteln den Teilnehmerinnen unsere Herangehensweise an Modedesign.
Spread Group: Unterscheidet sich Eure Herangehensweise denn so stark vom klassischen Modedesign?
Lisa Koops: Absolut, wir haben den Designprozess auf den Kopf gestellt. Normalerweise entwickelt man erst eine Idee, zeichnet sie und sucht dann nach den richtigen Stoffen. Bei uns steht das Material an erster Stelle, welches unsere Teilnehmerinnen selbst mitbringen können. Anhand des Materials entwickeln wir dann neue Ideen und beginnen zu zeichnen. Das ist bei uns mittlerweile ein intuitiver Prozess.
Spread Group: Wir haben Euch ja ebenfalls eine Kiste mit neuwertigen T-Shirts und Hoodies aus Retouren gespendet – und waren verblüfft, was ihr daraus geschaffen habt. Ihr habt einen ganz eigenen Look. Wie würdet ihr ihn selbst beschreiben?
Iris Ebel: Typisch für uns ist auch der Logo-Druck und das Patchwork. Wir bieten ein großes Denim-Segment an, weil sich Jeansstoff gut weiterverarbeiten lässt. Die Ära der Skinny-Jeans geht übrigens gerade zu Ende, wenn ich auf unsere aktuellen Kleiderspenden schaue.
Lisa Koops: Ein bisschen Street Style, ein bisschen elegant. Zeitgemäße Mode einfach – nicht nur durch unseren nachhaltigen Ansatz.
Spread Group: Das ist eine schöne Definition von zeitgemäßer Mode.
Iris Ebel: Danke, das finden wir auch. Auch bei unseren Kleiderspenden erleben wir die Auswirkungen der Fast-Fashion-Industrie: So erhalten wir zum Teil noch ungetragene Kleidung in der Original-Verpackung, die nicht mehr fristgerecht zum Online-Händler geschickt werden konnte oder Kundinnen, die säckeweise gebrauchte Textilien vorbeibringen. Ein ganz anderes Beispiel war eine Begegnung mit einer älteren Dame, die uns einen 100 Jahre alten Seidenstoff geschenkt hatte. Bis auf einen feinen Riss war dieser Stoff noch tadellos.
Lisa Koops: Wir möchten diese Haltungen aber nicht bewerten. Mode ist ein sehr persönliches Thema, aber gleichzeitig auch wieder nicht: Unser Handeln beeinflusst Entwicklungen auf der ganzen Welt. Unsere Tonnen an Altkleidern aus den Kleidersammlungen werden zum Teil nach Afrika verschickt, wo sich vor Ort keine eigene Mode-Industrie mehr entwickeln kann. In Indonesien werden noch gute Kleider teilweise verbrannt. Es ist also viel nachhaltiger, wenn wir die gebrauchte Kleidung erhalten und daraus hier vor Ort etwas Schönes schaffen können.
Spread Group: Wie können Euch die Leser*innen kennenlernen – und ggf. eines der Unikate aus unserem Upcycling-Projekt erwerben?
Lisa Koops: Am besten stöbert ihr direkt bei uns im Laden oder schreibt uns über Instagram oder per E-Mail, wenn wir Euch ein bestimmtes Kleidungsstück reservieren sollen. Ihr könnt auch selbst Eure alten Schätze abfotografieren oder direkt bei uns vorbeibringen. Wir überlegen dann gemeinsam, wie wir es upcyceln könnten.
Iris Ebel: Die Kosten berechnen sich bei uns dann je nach Aufwand: T-Shirts kosten um die 30 Euro, Hosen bis 150 Euro.
Spread Group: Das klingt super. Vielen Dank für das Gespräch und die stylischen Unikate aus unserem gemeinsamen Projekt!
Weiterführende Links
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